21.09.2015

Das neue Jahr beginnt für Holocaust-Überlebende mit höheren Zahlungen und mehr Hilfe

Betagte Holocaust-Überlebende rund um den Globus beginnen das jüdische neue Jahr 5776 mit mehr Betreuung und Unterstützung als je zuvor. Zehntausende von Holocaust-Überlebenden gehen mit der Gewissheit in das neue Jahr, dass sie erstmals eine Anerkennung ihrer Verfolgung erfahren haben.

Julius Berman, der Präsident der Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference), hat unlängst die Erfolge, die die Organisation im vergangenen Jahr zum Wohl der Holocaust-Überlebenden rund um den Globus erreicht hat, vorgestellt. Herr Berman hat das Erreichte in einem Bericht an die Gemeinschaft zusammengefasst, den Sie hier lesen können. Insgesamt hat die Claims Conference 18 Prozent mehr an direkten Entschädigungszahlungen an jüdische NS-Verfolgte als 2013 gezahlt und fast 33 Prozent mehr als noch im Jahr 2012. Darüber hinaus hat die Claims Conference 2015 rund 20 Prozent mehr an Fördermitteln für Sozialfürsorge bereitgestellt als im Jahr 2014.

Auf der Grundlage der Folgeverhandlungen der Claims Conference mit Deutschland erhalten jetzt Zehntausende zusätzlicher Überlebender Entschädigungszahlungen und lebenswichtige Betreuung. Mit dem Ziel, Opfern der Schoah ein Mindestmaß an Gerechtigkeit zu Teil werden zu lassen und dem dringlichen Bedarf betagter Überlebender zu begegnen, hat die Claims Conference in den vergangenen Jahren eine Reihe neuer Abkommen mit der deutschen Regierung getroffen. Das hat zu höheren Entschädigungszahlungen an Überlebende und lebenswichtiger Unterstützung im Bereich der Sozialfürsorge geführt wie etwa häusliche Betreuung, Essen, medizinische Versorgung, Sozialisierungsprogramme und Transfers.

„In Vorbereitung auf Yamim Noraim und während seines Verlaufs bitten wir: Drängt uns im Alter nicht beiseite; wenn es uns an Stärke fehlt, lasst uns nicht fallen.‘ Gerade in dem Bewusstsein, dass die Holocaust-Überlebenden in ihrer Jugend von aller Welt verlassen wurden, hat es sich die Claims Conference zur Aufgabe gemacht, solange es nötig ist, für ihr Wohl zu sorgen“, sagte Herr Berman.

Wichtige Aspekte des Berichtes sind:

Programme für direkte Entschädigungszahlungen

Die Claims Conference hat im Jahr 2014 nahezu 100 Millionen Euro mehr im Rahmen ihrer verschiedenen Entschädigungsprogramme – Hardship Fund, Artikel 2-Fonds, Mittel- und Osteuropafonds – an Holocaust-Überlebende ausgezahlt als noch zwei Jahre zuvor. Insgesamt erhielten im Jahr 2014 rund 100.000 NS-Opfer eine Summe von 351 Millionen Euro an direkten Entschädigungszahlungen, während 2012 rund 80.000 Überlebende die Gesamtsumme von 260 Millionen Euro erhielten.

2014 haben auch die Zahlungen aus dem Hardship Fund an NS-Opfer in der früheren Sowjetunion begonnen; dies waren zugleich die ersten Zahlungen, die diese Opfer bisher erhalten haben. Endlose Verhandlungen führten schließlich zu besagtem Abkommen mit Deutschland, das den Hardship auf die Länder der ehemaligen Sowjetunion ausweitete.

Im Verlauf der vergangenen drei Jahre konnten so 93.000 NS-Opfer erstmals deutsche Entschädigungszahlungen aufgrund der von der Claims Conference mit Deutschland verhandelten Kriterienerweiterungen erhalten. Diese Verhandlungen haben zur Anerkennung von Opfern geführt, deren Verfolgung Deutschland vorher im Rahmen von Entschädigungsprogrammen nicht anerkannt hatte.

Child Survivor Fund

Erste Zahlungen konnten auch an Kinder-Überlebende geleistet werden, die ihre Kindheit durch Terror und Schrecken verloren haben und oftmals von ihren Eltern getrennt wurden, die sie nie wieder gesehen haben. Der Fonds ermöglicht eine Einmalzahlung in Höhe von 2.500 Euro an jüdische Überlebende, die am 1. Januar 1928 oder danach geboren wurden und die in einem Konzentrationslager oder in einem Ghetto waren oder mindestens sechs Monate lang im Versteck, in der Illegalität oder unter falscher Identität gelebt haben. Antragsformulare wurden an Überlebende in mehr als 81 Länder und Territorien verschickt, von denen die Claims Conference annimmt, das sie für diese neue Zahlung berechtigt sein könnten. Erste Zahlungen in Höhe von 54 Millionen Euro konnten 2015 an 21.600 Überlebende gezahlt werden. Die Claims Conference schätzt, dass weitere 50.000 Überlebende diese Zahlung während der kommenden 16 Monate erhalten werden.

Soziale Wohlfahrtshilfe

Tausende betagter und gebrechlicher Überlebende der Schoah erhalten in diesem Jahr erstmalig häusliche Betreuung, zusätzlich zu den 63.000, die diese entscheidende Unterstützung bereits erfahren. Auch dies ist den Verhandlungen zu verdanken, in deren Folge die Förderung der häuslichen Betreuung durch die deutsche Regierung um 45 Prozent aufgestockt wurde.

Durch solche Folgeverhandlungen ist die Claims Conference in der Lage, lebenswichtige Hilfe für mehr als 130.000 NS-Opfer in 47 Ländern bereit zu stellen wie etwa häusliche Betreuung, Essen, Medikamente, Transfers, Notfallhilfe und anderes mehr.

Late Applicants Fund

Zwischenzeitlich wurde mit den Zahlungen aus dem mit 50 Millionen Euro ausgestatteten Late Applicants Fund („LAF“) begonnen. Die Claims Conference hatte den LAF, dessen Antragsfrist am 31. Dezember 2014 endete, eingerichtet, um Zahlungen an berechtigte Erben von ehemals jüdischen Vermögenswerten in Ostdeutschland zu ermöglichen, die an die Claims Conference in deren Funktion als Nachfolgeorganisation für nicht beanspruchtes Vermögen rückübertragen worden waren. Bei seinem letzten Jahrestreffen hat das Direktorium der Claims Conference beschlossen, dass Zahlungen aus dem LAF nicht weniger als 33 Prozent des Nettoerlöses des Vermögenswertes betragen soll, auf den der Antragsteller Anspruch hat. 

Auch wenn die Bedürfnisse von Holocaust-Überlebenden heute andere sind als nach dem Krieg, so sind sie doch nicht weniger dringlich. Im Gegenteil - mit zunehmendem Alter wird die Unterstützung durch die Claims Conference für Holocaust-Überlebende immer wichtiger. Sie trägt dazu bei, dass jedes jüdische NS-Opfer seine letzten Jahre in Würde und Behaglichkeit verbringen kann.