10.07.2018

Verhandlungen mit der Bundesregierung führen zu mehr Unterstützung für Holocaust-Überlebende

Nach Verhandlungen der Claims Conference und Gesprächen der deutschen Delegation mit Zeitzeugen werden zusätzliche Mittel für lebenswichtige Leistungen bereitgestellt

In einem Waggon, der im United States Holocaust Memorial Museum ausgestellt ist und an die zur Deportation von Juden verwendeten Viehtransporter erinnern soll, berichtet der Holocaust-Überlebende Roman Kent Staatssekretär Dr. Rolf Bösinger von seinen eigenen Erlebnissen. Gegenstand der Verhandlungen war eine Erhöhung der Unterstützungsleistungen für Holocaust-Überlebende.

Die Verhandlungsdelegation der Claims Conference bestand u. a. aus dem Executive Vice President der Claims Conference, Greg Schneider, Sonderunterhändler Botschafter Stuart Eizenstat, dem Co-Vorsitzenden Roman Kent und aus Botschafter Reuven Merhav.

New York, NY

10. Juli 2018 – Heute gab Julius Berman, Präsident der Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference) die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen der Claims Conference und der Bundesregierung zugunsten der Holocaust-Überlebenden bekannt. „Die signifikante Erhöhung von Unterstützungsleistungen, die unser Verhandlungsteam erreichen konnte, bedeutet mehr häusliche Betreuung und Pflege, Lebensmittelhilfen, Medikamente und Fahrdienste für jüdische Holocaust-Überlebende in der ganzen Welt“, erklärte Julius Berman.

Im Rahmen der Verhandlungen wurde eine Erhöhung der Betreuungsdienstleistungen für Holocaust-Überlebende um 75 Mio. € beschlossen, womit die Gesamtzuwendungen auf 480 Mio. € steigen. Die deutsche Delegation traf mit  Vertretern der Claims Conference zu Verhandlungen im United States Holocaust Memorial Museum in Washington, D.C. zusammen. Dort kamen auch Überlebende zu Wort, die mit eigenen Erfahrungsberichten deutlich machten, wie dringend erforderlich die Erhöhung der Unterstützungsleistungen ist.

Der Sonderunterhändler der Claims Conference, Botschafter Stuart Eizenstat, erklärte: „Wir treten in die letzte Phase der mehr 70 Jahre währenden Bemühungen der Jewish Claims Conference ein, gemeinsam mit der Bundesregierung ein gewisses Maß an Gerechtigkeit für die Holocaust-Überlebenden zu gewährleisten. Ich freue mich ganz besonders, dass die neue deutsche Regierung ebenso wie wir die dringliche Notwendigkeit sieht, den Holocaust-Überlebenden, die in ihrer Jugend so viel Leid erleben mussten, in ihren letzten Jahren ein Leben in Würde zu ermöglichen. Es ist uns gelungen, weitere 200 Mio. $ für dringend benötigte häusliche Betreuung und Pflege sowie für die Anhebung der monatlichen Rentenzahlungen für Holocaust-Überlebende zu verhandeln. In den vergangenen 10 Jahren konnten die Mittel für häusliche Betreuung kontinuierlich erhöhen werden, zuletzt um 30 Mio. € auf 405 Mio. € im Jahr 2018 und nun für 2019 auf 480 Mio. €.”

Der Executive Vice President der Claims Conference, Greg Schneider, sagte über die Verhandlungen: „Auch wenn kein Geld der Welt die Holocaust-Überlebenden für ihr unermessliches Leid und ihre unbeschreiblichen Verluste entschädigen kann, verdienen diese hochbetagten Helden die Anerkennung, die ihnen durch höhere Zahlungen und dringend benötigte Dienstleistungen entgegengebracht wird. Der Krieg ist seit über 70 Jahren vorbei und die Zeit für die Überlebenden wird knapp. Wir müssen uns fragen: Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Roman Kent and Marian Turski, Mitglieder der Verhandlungsdelegation der Claims Conference, die beide das Ghetto Lodz und Ausschwitz überlebt haben, begleiteten die deutschen Regierungsvertreter bei ihrem Rundgang durch das Museum. Ein Viehwaggon in der Dauerausstellung des Museums diente spontan als Kulisse, vor der Roman Kent den Vertretern der deutschen Delegation und Museumsbesuchern von seinen persönlichen Erfahrungen bei der Deportation nach Ausschwitz und von den grauenhaften Bedingungen seiner Gefangenschaft erzählte.

Kent sagte: „Wenn ich mich frage, wie lange ich in Ausschwitz war, lautet meine Antwort: Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass jede Minute in Ausschwitz so lange dauerte wie ein ganzer Tag und jeder Tag wie ein ganzes Jahr und jede Woche wie eine Ewigkeit. Wie viele Ewigkeiten kann man in einem einzigen Leben durchleben? Auch hierauf weiß ich keine Antwort.“

Immer wieder war die Verhandlungsdelegation der Claims Conference im vergangenen Jahr an die Bundesregierung herangetreten und hatte sich für bislang noch nicht gedeckte Bedarfe jüdischer Holocaust-Überlebender und eine Erweiterung der Kriterien für Entschädigungszahlungen eingesetzt. Zusätzlich zu der Erhöhung der Unterstützungsleistungen konnten bei den Verhandlungen folgende Ergebnisse erzielt werden:

Die Renten, die die Claims Conference gemäß dem Artikel 2-Fonds und dem Mittel- und Osteuropa-Fonds (CEEF) an 55.000 Holocaust-Überlebende zahlt, werden im Laufe der nächsten drei Jahre um 53,6 % von 352 € auf 541 € angehoben. Die erste Erhöhung auf 415 € greift zum 1. Januar 2019.

Die Kriterien für den Child Survivor Fund werden gelockert. Die Zeitspanne, in der Überlebende als Kinder nachweislich im Versteck oder unter falscher Identität leben mussten, wurde von sechs auf vier Monate verkürzt.

Die Claims Conference unterstützt derzeit etwa 76.200 bedürftige und gebrechliche Holocaust-Überlebende in der ganzen Welt durch die Finanzierung häuslicher Betreuungsleistungen, damit diese Menschen in ihrem Zuhause bleiben können. Darüber hinaus hilft sie mehr als 62.000 Überlebenden durch lebenswichtige Dienstleistungen wie Lebensmittel, Medikamente, Fahrdienste zu Ärzten und Sozialisierungsprogramme zur Abmilderung von Isolierung.

Die Verhandlungsdelegation der Claims Conference setzt sich zusammen aus dem Sonderunterhändle Botschafter Stuart Eizenstat, dem Co-Vorsitzenden Roman Kent, führenden Vertretern von Holocaust-Überlebenden, hier Botschafterin Colette Avital, Botschafter Reuven Merhav, Ben Helfgott und Marian Turski, Rabbi Andrew Baker und dem Vizepräsidenten der Claims Conference, Greg Schneider.