Verspätete Gerechtigkeit: Rückerstattung und Entschädigung jüdischen Eigentums in Ostdeutschland

Nach dem Sieg der Alliierten über Hitlerdeutschland wurde das erschreckende Ausmaß der Naziverbrechen an den Juden für die Weltöffentlichkeit sichtbar. Es war für die Westallierten klar, dass zur Wiederherstellung fundamentaler Rechtsprinzipien in einem demokratischen Deutschland auch die Rückgabe entzogenen Eigentums gehörte. So entstanden in den unmittelbaren Nachkriegsjahren alliierte Rückerstattungsgesetze, die für drei westliche Besatzungszonen Rechtsprinzipien schufen und Verfahren vor den deutschen Zivilgerichten etablierten, nach denen jüdische Verfolgte ihr Vermögen zurück verlangen konnten.

Auf dem Gebiet der DDR hat es dagegen nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes weder unter sowjetischer Besatzungshoheit, noch nach Gründung der DDR jemals eine wirksame Rückerstattung oder Entschädigung geraubten jüdischen Vermögens gegeben. Die Führung der DDR lehnte jede Verantwortung für die Gräueltaten des Nationalsozialismus ab und verweigerte den Opfern des Holocaust unter dem Deckmantel ihrer antifaschistischen Staatsideologie über vierzig Jahre lang die Rückgabe ihres geraubten Eigentums und jede Form von Entschädigung.

Erst die friedliche Revolution setzte dieses Thema wieder auf die Tagesordnung. Im April 1990 bekannte sich die erste frei gewählte Volkskammer der DDR zu Ihrer „Mitverantwortung für die Demütigung, Vertreibung und Ermordung jüdischer Frauen, Männer und Kinder“. In der Konsequenz dieser Erklärung schuf die gesamtdeutsche Gesetzgebung im Rahmen des Vermögensrechts die Grundlage für die Rückgabe und Entschädigung geraubten jüdischen Vermögens. Auf diese Weise wurde die Rückgabe und Entschädigung nachvollzogen, die in Westdeutschland schon in den fünfziger Jahren im wesentlichen abgeschlossen worden war.

Die Anspruchsgrundlagen folgten dabei aus Gründen der Gleichbehandlung den Prinzipien, wie sie in der Rückerstattungsgesetzgebung für Westdeutschland entwickelt worden waren. In den so genannten Septemberverträgen bekannte sich die Bundesrepublik Deutschland gegenüber den drei sogen. Westallierten zur Fortgeltung der Prinzipien des Rückerstattungsrechts und zur Übertragung dieser Prinzipien auf das Gebiet der ehemaligen DDR.  Das nach 1990 entstandene Vermögensrecht stellt dabei auch die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Claims Conference als „Nachfolgeorganisation“ seit 1990 dar.

Aufgrund der ungeheuren Dimensionen des nationalsozialistischen Massenmords an den europäischen Juden stellte sich schon unmittelbar nach 1945 das Problem unbeanspruchten und erbenlosen jüdischen Vermögens. Dieses Vermögen  durfte nicht  in  den Händen des Staates verbleiben, der dieses beispiellose Unrecht zu verantworten hatte oder aber in den Händen derer, die als indirekte Nutznießer der staatlichen Verfolgungsmaßnahmen Vermögenswerte erworben hatten.

Um dieses Problem zu lösen, hat der Gesetzgeber die Rechte auf unbeanspruchtes und erbenloses Vermögen so genannten Nachfolgeorganisationen übertragen. Diese Rechte nimmt für das Gebiet Ostdeutschland die Claims Conference war.

Die Claims Conference vereint in beispielloser Weise alle Strömungen des Judentums in aller Welt. Ihr Auftrag ist neben der Vertretung der jüdischen Interessen in allen Fragen von Ansprüchen jüdischer Verfolgter die Unterstützung bedürftiger Überlebender des Holocaust. Aus dem Erlös, den die Nachfolgeorganisation aus der Rückgabe und Veräußerung von Vermögenswerten und der Entschädigung erhält, speist die Claims Conference auf diese Weise ihre Hilfsprogramme in aller Welt.