Geschichte

Adenauer unterschreibt
Delegation der Claims Conference beim State Department 1952
Nahum Goldmann und Saul Kagan
Abba Eban unterschreibt die Luxemburger Abkommen
Rabbi Israel Miller

Als Reaktion auf die eindringlichen Appelle jüdischer Organisationen und des Staates Israel richtete Kanzler Konrad Adenauer im September 1951 folgende Worte an das bundesdeutsche Parlament:

„[…] im Namen des deutschen Volkes sind unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten. […] Die Bundesregierung ist bereit, gemeinsam mit Vertretern des Judentums und des Staates Israel […] eine Lösung des materiellen Wiedergutmachungsproblems herbeizuführen, um damit den Weg zur seelischen Bereinigung unendlichen Leidens zu erleichtern.“

Bundeskanzler Konrad Adenauer bei der Unterzeichnung der Abkommen mit der Claims Conference und Israel in Luxemburg am 10. September 1952

Einen Monat nach Adenauers Rede berief Dr. Nahum Goldmann, zweiter Vorsitzender der Jewish Agency und Präsident des Jüdischen Weltkongresses, eine Sitzung der 23 bedeutendsten nationalen und internationalen jüdischen Organisationen nach New York ein. Die Teilnehmer stellten klar, dass die Gespräche mit Deutschland sich auf die materiellen Aspekte der Entschädigung beschränken sollten. So erhielt die Organisation, die als Ergebnis dieses Treffens gegründet wurde, den Namen „Conference on Jewish Material Claims Against Germany“, kurz „Claims Conference“. Das Direktorium der neuen „Conference“ bestand aus Vertretern der Organisationen, die an ihrer Gründung beteiligt waren; jede Mitgliedsorganisation entsandte jeweils zwei Vertreter ins Direktorium.

Aufgabe der Claims Conference war es, mit der Deutschen Regierung ein Entschädigungsprogramm für die materiellen Verluste jüdischer Einzelpersonen wie auch des jüdischen Volkes in seiner Gesamtheit zu verhandeln, die während des Holocaust durch Deutschland verursacht worden waren.

Am 10. September 1952, nach sechs Verhandlungsmonaten, unterzeichneten die Vertreter der Claims Conference und der Bundesregierung ein Abkommen, das aus zwei Protokollen bestand. Protokoll Nr. 1 verpflichtete die Bundesrepublik, eine gesetzliche Regelung für die direkte Rückerstattung von Vermögenswerten und für die individuelle Entschädigung der NS-Opfer zu treffen. In Protokoll Nr. 2 verpflichtete sich die Deutsche Regierung, der Claims Conference 450 Millionen DM zur Verfügung zu stellen für die Unterstützung, Rehabilitierung und Wiederansiedlung jüdischer NS-Opfer, und zwar entsprechend der Dringlichkeit ihrer Bedürfnisse, welche von der Conference zu bemessen waren. Darüber hinaus schloss Deutschland ein weiteres Abkommen mit dem Staat Israel.

Die Verträge stellten ein historisches Novum dar. Obwohl alle drei Beteiligten - die Claims Conference, Israel und die Bundesrepublik Deutschland während des 2. Weltkrieges noch nicht existiert hatten, einigte man sich auf ein Abkommen zur Entschädigung von Verbrechen, die während der NS-Zeit begangen worden waren.

Im Bewusstsein der historischen Bedeutung dieser Abkommen schrieb David Ben-Gurion 1952 in einem Brief an den Gründer und ersten Präsidenten der Claims Conference, Dr. Nahum Goldmann:

„Zum ersten Mal in der Geschichte des jüdischen Volkes, das jahrhundertelang unterdrückt und ausgebeutet wurde, [...] muss der Unterdrücker und Ausbeuter etwas von seiner Beute zurückgeben und eine kollektive Entschädigung für einen Teil der materiellen Verluste zahlen.“

Zu der Zeit konzentrierte sich die Claims Conference auf die Unterstützung notleidender Überlebender mit Hilfe zahlreicher Einrichtungen der Sozialhilfe und auf den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinden in Europa. Als unpolitische, unparteiische Einrichtung hat die Claims Conference damals rund 500 Großprojekte in 29 Ländern durchgeführt, die darauf zielten, die Gemeinden zu stärken und ihren Zusammenhalt und ihre Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten. Trotz massiver politischer Hindernisse hat die Claims Conference auch bedeutende Summen für die Überlebenden des Holocaust jenseits des „Eisernen Vorhangs“ bereit gestellt, denen es nicht möglich war, individuelle Entschädigungsleistungen zu beantragen.

In der Folge verhandelte die Claims Conference mit der Bundesregierung über Ergänzungen zu den in Protokoll Nr. 1 festgehaltenen gesetzlichen Verpflichtungserklärungen und überwachte die Durchführung der verschiedenen Entschädigungs- und Restitutionsgesetze.

Bis heute hat die Deutsche Regierung mehr als 60 Milliarden US$ für Ansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) aufgewendet, das von der Claims Conference maßgeblich mit verhandelt wurde. Insgesamt erhielten mehr als 278.000 Überlebende lebenslange Renten nach dem BEG.  BEG-Renten erreichen auch heute noch zehntausende Personen; weitere Hunderttausende bekamen auf der Grundlage der bundesdeutschen Entschädigungsregelungen Einmalzahlungen.

Das Luxemburger Abkommen war das erste von mehr als 25 Vereinbarungen, die von der Claims Conference verhandelt wurden, um jüdischen NS-Opfern auf der ganzen Welt ein Mindestmaß an Gerechtigkeit zu verschaffen.